Dienstag, 3. April 2018

Klinik oder Selbstdiagnose?

Lasst mich noch ein paar Worte zur Selbst-Diagnose sagen. Ich weiß, dass einige Psychologen mit gerümpfter Nase darauf herabschauen, denn mir wurde bereits mitgeteilt, was von Selbstdiagnosen zu halten ist. Wer kann sich denn schon selbst diagnostizieren?
Diejenigen vielleicht, die sich sehr genau an ihre Kindheit erinnern können, weil sie mit fast nichts anderem beschäftigt waren, als krampfhaft zu versuchen, dazuzupassen. Sich "normal" zu verhalten. Früher gab es nicht das Autismus-Spektrum. Es war nicht OK, wegen psychischer Probleme in Behandlung zu sein. Es gab nur "verrückt" oder "gesund". Der Posten des Dorf-Bekloppten war schon vergeben, und ich war nicht scharf darauf, seinen Platz einzunehmen.

Durch viele Jahre harter Arbeit an mir selbst habe ich mich auf normal getrimmt, und eine Diagnose von außen halte ich für fast unmöglich. Mein Verhalten war so lange nicht mein eigenes, dass mein Autismus heute kaum mehr erkennbar ist. Mit Fragebögen zum Autismus bei Erwachsenen, in denen Vergleiche Kindheit - Erwachsenenalter angestellt werden, habe ich mich wiedergefunden. Mir ist deutlich geworden, wie viel ich all die Jahre unterdrückt und versteckt habe. Die Beschreibung Asperger trifft so gut auf mich zu, dass es schon fast gruselig ist. Wieso hat man das all die Jahre übersehen?

Es ist eine ganz neue Welt, plötzlich wieder all das zuzulassen, was man mal locker 30 Jahre lang unterdrückt hat. Ich werde wieder ich selbst, Stück für Stück. Ich finde mich in einer Gemeinschaft wieder, die ich verstehe und die mich versteht. Plötzlich ergibt alles einen Sinn. Ich fühle mich nicht mehr als Außenseiter. Und das soll alles Einbildung sein, ja? Sicher sind auch die Ergebnisse aller Online-Tests, die ich gemacht habe, nur Einbildung. Vielleicht können sie eine offizielle Diagnose nicht ersetzen, aber wenn alles darauf hindeutet und ich mich dort selbst wiederfinde, sollte man es dann nicht einfach annehmen?

Seit ich mich in Stresssituationen in der Autismus- Werkzeugkiste bediene und es mir damit richtig gut geht, akzeptiere ich, dass ich so bin, wie ich bin. Kliniken in meiner Nähe diagnostizieren nur, wenn man einer Therapie zusagt. Erstens, ihr Hinterwäldler, gibt es keine Therapie für Autismus, höchstens Verhaltensschulungen, um "normal" rüberzukommen. So, wie ich all die Jahre Gestik und Mimik und Emotionen aus Büchern gelernt habe. Hilfreich, aber ich brauch das nicht mehr. Zweitens WILL ich überhaupt nicht therapiert werden. Ich habe nicht nur Einschränkungen, ich habe auch Superkräfte. Ich kann mich stundenlang auf eine Sache konzentrieren und richtig reingraben. Ich mag und verstehe Gesetzestexte und kann damit auf der Arbeit den Kollegen ungeliebte Aufgaben abnehmen. Und so weiter.
Keine Therapie und dann eben auch keine offizielle Diagnose, vielen Dank.


Wer Interesse an den Autismus-/ Asperger-Fragebögen hat:

Aspie-Quiz, Leif Ekblad, 2004-2008. 150 Fragen, Asperger- und neurotypische Züge werden untersucht. Es gibt eine umfangreiche Testauswertung, in der die einzelnen Züge genau unter die Lupe genommen werden. In meinen Augen der ausführlichste Online-Test, sehr zu empfehlen!

Selbsttest auf Asperger-Syndrom, Dr. Simon Baron-Cohen, deutsch von Richard Fellner. 50 Fragen.

MBAS, Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom, Inge Kamp-Becker & Helmut Remschmid. 57 Fragen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Überall erhältlich!

Endlich ist "Autismus - eine Bedienungsanleitung" überall erhältlich! Amazon hat zwar ein bisschen länger gebraucht (2 Monate, kan...